Lampertheimer Krankheit

Lampertheimer Krankheit
Lampertheimer Krankheit

Mit einem zusätzlichen Bedarf an 85 Betreuungsplätzen kommt die Stadt an ihre Grenzen, was die Auswahl von Grundstücken betrifft, auf denen die künftigen Einrichtungen erbaut werden können. Laut Bürgermeister Gottfried Störmer steht mit einem Grundstück in der Siedlerstraße nur noch eine Fläche zur Verfügung. Dies bedeute, für neue Krippen und Kindergärten müssten künftig bereits bestehende Immobilien genutzt werden.

Die Mitglieder des Stadtentwicklungs-, Energie- und Bauausschusses taten sich in ihrer jüngsten Sitzung schwer damit, diesen Zustand zu akzeptieren. Zumal sie sich bezüglich der Entscheidung über einen Neubau in der Siedlerstraße unter Druck gesetzt gefühlt sahen. Verwaltungschef Störmer hatte zuvor darauf hingewiesen, dass es über die Grundstücksfrage bis Dezember rechtliche Auseinandersetzungen gegeben habe. Nun dränge die Zeit, da die Stadt ansonsten auch Fördermittel einbüße. Gleichwohl hätten die Parlamentarier frühzeitiger in die Planungen einbezogen werden müssen, meinte etwa Robert Lenhardt (SPD). Er äußerte Bedenken über die zu erwartende Verkehrszunahme in der Siedlerstraße. Mit Rücksicht auf die Betreuungsbedürfnisse junger Familien stimme die SPD zu, aber nur „mit Bauchschmerzen“.

Auch Franz Korb (CDU) beklagte die „Lampertheimer Krankheit“, dass die parlamentarischen Gremien Entscheidungsvorlagen unter Zeitdruck beraten müssten. Auch die CDU stimme zu, allerdings „mit der Faust in der Tasche“. Mit harscher Kritik reagierten im Ausschuss Frank Hege (Grüne) und Fritz Röhrenbeck (FDP). Während Hege von einem „Unding“ sprach, dass die neue Kita „aus dem Hut gezaubert werde“ und – erfolglos – für einen Aufschub der Entscheidung bis nach den Kommunalwahlen plädierte, ließ sich Röhrenbeck von seinem Ausschussvorsitz entbinden, um sich frei äußern zu können.

Es sei ein „absoluter Irrsinn“, die Planungen in kurzer Zeit durchzuwinken, erklärte Röhrenbeck. Würde es nicht um Eltern und deren Kinder gehen, wäre ein Exempel zu statuieren und das Projekt abzulehnen, meinte der Liberale. Den Bürgermeister brachten diese kritischen Äußerungen in Rage. Er forderte in dieser Frage politische Solidarität mit der Verwaltung ein. Angesichts der rechtlichen Klärungen bezüglich des Grundstückes, das die Stadt von einem Käufer zurückerworben hatte, sei nun schnellstmöglich Handeln geboten. Grünen-Fraktionsmitglied Hege wollte sich damit jedoch nicht zufrieden geben: „Ein Schulterschluss mit der Pistole auf der Brust ist kein Schulterschluss.“ Hege stimmte denn auch gegen das Kita-Projekt, die zwei FDP-Fraktionsmitglieder enthielten sich.

Kontroversen löste auch das Vorhaben von Energieried aus, auf einer Fläche östlich der Bahnschienen im Bruch eine Photovoltaikanlage zu errichten. Sowohl Helmut Hummel (FDP) als auch Frank Hege (Grüne) bemängelten, dass die Anlage ökologische Belange vernachlässige. Ausschussvorsitzender Röhrenbeck äußerte sich gar „enttäuscht“, dass Energieried seine Planungen nicht an frühere politische Forderungen angepasst habe. Christdemokrat Korb sprach sich dafür aus, Photovoltaik nicht auf freier Fläche, sondern zunächst auf Dächern zu installieren und forderte die FDP auf, ihre Bedenken konsequent in Nein-Stimmen auszudrücken. Am Ende stimmten jedoch nur die drei Christdemokraten gegen das Projekt. Es wird – wie auch die Pläne zur neuen Kita – im Stadtparlament abschließend beraten. urs

© Südhessen Morgen, Donnerstag, 11.02.2021